Es ist "Sex, Drugs and Rock'n'Roll" im kosmischen Gewand, gefolgt von einem kollektiven Herrengrippe-Kater aller Beteiligten.
Die symbiotische Beziehung zwischen uns dreien basierte auf Liebe und geteiltem Trauma, nicht auf Verrat oder Manipulation.
Laura, unfreiwillige Heldin eines Romans, der zum feministischen Kultbuch wurde, über ihre Darstellung in "Das Knie der Spinne"
Im Gespräch mit LH. Das Gespräch führte Bernd Jolovski
LH: Frau Laura, Ihr Name steht für einen der meistdiskutierten Science-Fiction-Romane des Jahres. Wie fühlt es sich an, eine Figur zu sein, die plötzlich als feministische Ikone gefeiert wird?
Laura: Das ist ein groteskes Missverständnis. Was als intime Geschichte über wissenschaftliche Integrität und menschliche Komplexität gedacht war, wurde zu einem marktfähigen Heldinnennarrativ verzerrt. Die Ironie ist bitter: Ausgerechnet Frauen feiern ein Buch, das die primitivsten Geschlechterstereotype bedient.
LH: Sie kritisieren also die feministische Rezeption Ihrer eigenen Rolle?
Laura: Ich kritisiere die intellektuelle Oberflächlichkeit dieser Rezeption. Die ursprüngliche Geschichte handelte von den Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis, von der Zerbrechlichkeit der menschlichen Psyche unter autoritärem Druck. Daraus wurde ein Abenteuerroman mit angeblich "starker Frau" konstruiert – als ob Stärke darin bestünde, dem eigenen Verfall zuzusehen.

LH: In Ihrer realen Geschichte hatten Sie eine Wissenschaftssendung. Wie wurde diese in Shaws Buch dargestellt?
Laura: Meine Sendung lief nachts um halb eins, das ist richtig. Sie war ein leiser Dialog mit Menschen, die nach tieferen Wahrheiten suchten - kein spektakuläres Format, sondern Gedankenströme über die Grenzen unseres Wissens. Ich führte Zuschauer durch Physik, Biologie, Chemie, aber immer mit Respekt vor dem Unerklärbaren. Das wurde komplett entstellt. Ich gelte als Pseudowissenschaftlerin mit einem gehörigen Sprung in der Schüssel. Meine Krankheit wurde banalisiert.
LH: Das marsianische Regime verhängte ein Forschungsverbot gegen Sie. War das eine politische Unterdrückung?
Laura: Hier zeigt sich die Perfidie der Buchversion am deutlichsten. Das Verbot war keine Zensur einer gefährlichen Frau, sondern Schutz vor meiner eigenen mentalen Instabilität. Ich verstrickte mich in Verschwörungstheorien über gravitative Intelligenz, entwickelte abwegige Konzepte über universelle Singularitäten. Vanessa und die Behörden wollten mich schützen – aber im Buch werden sie zu Unterdrückern stilisiert.
LH: Vanessa wird als ambivalente Figur zwischen Freundin und Verräterin dargestellt. Wie war Ihre reale Beziehung?
Laura: Vanessa war meine Rettung. Die symbiotische Beziehung zwischen uns dreien - meinem Ehemann, Vanessa und mir - basierte auf Liebe und geteiltem Trauma, nicht auf Verrat und Manipulation.
LH: Ihr Ehemann wird im Buch eher als Randfigur dargestellt.
Laura: Das ist vielleicht die schändlichste Verzerrung. Er war Poet und sensibler Kommunikator, der komplexe Ideen in verständliche Botschaften übersetzte. Seine stille Kraft, seine Art, mich zu stützen, ohne sich aufzudrängen, nichts davon kommt durch. Stattdessen wird er zum schwächlichen Anhängsel degradiert, damit ich als starke Frau erscheinen kann. Echter Feminismus würde niemals diese Nullsummenlogik bedienen.
"Das Buch bedient primitive Fantasien von weiblicher Überlegenheit und männlicher Schwäche"
LH: Was war der konkrete Auslöser für Ihr Forschungsverbot?
Laura: Meine Theorien über Raumkrümmung und kosmische Strukturen wurden zunehmend spekulativ. Ich postulierte eine universelle Spezies, einen Ursprung allen Lebens jenseits bekannter Physik. Die Behörden sahen berechtigterweise Anzeichen mentaler Destabilisierung. Vanessa erkannte das als Erste und versuchte mir zu helfen, aber im Buch wird das als Unterdrückung wissenschaftlicher Wahrheit verkauft.
LH: Trotzdem wurde das Buch gerade in progressiven Kreisen gefeiert. Wie erklären Sie sich das?
Laura: Progressive Verpackung ist oft die gefährlichste. Das Buch bedient primitive Fantasien von weiblicher Überlegenheit und männlicher Schwäche, versteckt hinter einer angeblich feministischen Fassade. Es ist "Sex, Drugs and Rock'n'Roll" im kosmischen Gewand, gefolgt von einem kollektiven Herrengrippe-Kater aller Beteiligten.
LH: Was hätten Sie anders erzählt?
Laura: Ich hätte die Nuancen bewahrt. Die stillen Momente zwischen meinem Mann und mir in unserem marsianischen Habitat, wenn er Gedichte schrieb, während ich meine Spinnen beobachtete. Vanessas intelligente Politik hätte mehr herausgearbeitet werden können und die Belt-Ekstase hätte ich gänzlich gestrichen. Was hat das in dem Buch zu suchen, frage ich Sie.
"Als ich die ersten Rezensionen las, war das wie ein Alptraum."
LH: Sie hofften, das Buch würde scheitern?
Laura: Täglich. Als ich die ersten Rezensionen las, war das wie ein Alptraum. Eine Geschichte über Trauma, Verlust und die Unmöglichkeit einfacher Antworten wurde zu Entertainment verwandelt. Das Abscheuliche ist nicht nur das Buch selbst, es ist seine Feier als progressiv, während es zutiefst reaktionär ist. Es ist eine Fiebel für die Konservativen. Ein furchtbares Werk.
LH: Was ist Ihre Botschaft an die Leserinnen, die sich von Ihrer Figur inspiriert fühlen?
Laura: Hinterfragt, warum ihr euch zu bestimmten Narrativen hingezogen fühlt. Nur weil eine Geschichte eine starke weibliche Protagonistin hat, ist sie nicht automatisch feministisch! Manchmal sind gerade diese Geschichten am gefährlichsten, weil sie regressive Inhalte in progressive Verpackung hüllen. Wahre Stärke besteht oft darin, verwundbar zu bleiben und komplexe Wahrheiten auszuhalten, statt einfache Heldenmythen zu konsumieren.
LH: Wie geht es in Ihrem Leben weiter? Wird man sie bald in einem neuen Werk lesen?
Laura: Drei Dinge stehen auf meiner Agenda. Erstens plane ich, Shaw und seinen Verlag zu verklagen um ein Zeichen zu setzen gegen diese Art literarischer Ausbeutung. Meine Anwälte sehen gute Chancen für eine Klage wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Zweitens suche ich mir eine neue Agentur. Meine bisherige Vertretung hat offensichtlich versagt, sonst hätte diese literarische Entgleisung nie stattgefunden. Ich brauche Leute, die verstehen, dass wissenschaftliche Integrität nicht verhandelbar ist.
Und drittens,... nun ja, ich gehe erstmal für eine Zeit ins Ausland. Weg von diesem Zirkus. Ich denke an Kanada. Dort kann ich in Ruhe an meinen eigenen Aufzeichnungen arbeiten, der wahren Geschichte, nicht dieser kommerzialisierten Verzerrung.
Was neue literarische Werke angeht: Nur über meine Leiche wird es noch einmal jemand wagen, mein Leben zu fiktionalisieren. Die Wahrheit ist komplex genug, sie braucht keine weitere Dramatisierung durch opportunistische Autoren.
LH: Vielen dank für das Interview, Laura
Laura: Ich danke ihnen.
Das Interview wurde kurz nach der Veröffentlichung des Romans Das Knie der Spinne aufgezeichnet und im Wortlaut abgedruckt.
Literatur-Skandal eskaliert!
Nach dem umstrittenen Interview seiner Kollegin Laura meldet sich nun auch Ragnar zu Wort"Lauras Kritik ist intellektueller Snobismus"
