Ich war nie scharf auf Rampenlicht.

Sein Leben nach dem Literaturbetrieb

"Ich habe die Figur nur gespielt – nicht erschaffen"

Ragnar, ehemaliger Kiosk-Betreiber und Romanprotagonist in "Das Knie der Spinne", über sein Leben nach dem Literaturbetrieb und warum Charaktere in ihren Büchern bleiben sollten. Im Gespräch mit Tanja Schneider von Literatur Heute


TS: Ragnar, Sie haben das erste Interview Ihrer Kollegin Laura zum Anlass genommen, selbst an die Öffentlichkeit zu treten. Warum jetzt?

Ragnar: Weil Laura einen fundamentalen Fehler gemacht hat. Als fiktive Figur gibt man keine Interviews, Punkt. Das ist ein Tabubruch, der das ganze Gefüge unserer literarischen Existenz gefährdet. Wir sind Charaktere, keine Celebrities. Wenn wir anfangen, öffentlich zu kommentieren, wie wir dargestellt wurden, zerstören wir die Magie des Buches komplett.

TS: Aber Sie tun genau das, was Sie Laura vorwerfen.

Ragnar: Leider ja. Jemand muss den Schaden begrenzen. Laura hat die Büchse der Pandora geöffnet, jetzt muss ich sie wieder schließen. Das ist mein letztes öffentliches Statement zu "Das Knie der Spinne". Danach kehre ich dorthin zurück, wo ich hingehöre: zwischen die Buchdeckel.

"Lauras Kritik ist intellektueller Snobismus."

TS: In dem Roman sind Sie ein reptilischer Kiosk-Besitzer auf der erwärmten Erde. Wie viel von Ihnen steckt wirklich in dieser Figur?

Ragnar: Shaw hat intuitive Arbeit geleistet. Die Ruhe, die Geduld, die Art, wie ich Probleme angehe – das stimmt überein. Auch die Verbindung zu Nova, dieser Geschichtenerzählerin. Aber vieles ist literarische Überhöhung. Ich bin kein mystischer Weise, sondern ein pragmatischer Typ, der seinen Job macht.

TS: Sie leben tatsächlich in Gelsenkirchen und haben zwei Kinder. Wie bringt man das unter einen Hut – Familienvater und Science-Fiction-Charakter?

Ragnar: (lacht) Das ist surreal, ja. Meine Kinder finden es cool, dass Papa in einem Roman vorkommt. Wobei sie das Buch natürlich nicht lesen dürfen – zu brutal. Aber im Grunde bin ich einfach ein normaler Familienvater, der zufällig mal als reptilischer Außerirdischer gecastet wurde.

TS: Sie sprechen, als hätten Sie sich bewusst für diese Rolle entschieden.

Ragnar: So war es auch. Shaw suchte jemanden für diesen Charakter, und meine Agentur hat mich vorgeschlagen. Ich war zwischen Projekten, hatte Zeit, und die Rolle klang interessant. Dass das Buch dann so erfolgreich werden würde, haben wir alle nicht erwartet.

TS: Das Buch wird vor allem in anti-militaristischen Kreisen gefeiert. Überrascht Sie das?

Ragnar: Überhaupt nicht. Shaw hat eine intelligente Anti-Kriegs-Allegorie geschrieben, ohne moralisierend zu werden. Die Friedensbewegung erkennt das. Dass Laura das alles als "primitives Heldinnen-Narrativ" abtut, zeigt nur, dass sie den tieferen Gehalt des Buches nicht verstanden hat.

TS: Sie sehen das Buch also positiver als Laura?

Ragnar: Absolut. "Das Knie der Spinne" ist ein guter Roman. Shaw hat komplexe Charaktere geschaffen, ohne in Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen. Ja, es ist unterhaltend, aber es hat auch Substanz. Lauras Kritik ist intellektueller Snobismus.

TS: Wann werden wir Sie in Ihrer nächsten Rolle sehen?

Ragnar: Das weiß ich noch nicht. Erstmal genieße ich die Pause. Nach zwei Jahren als Buchcharakter braucht man Zeit, um wieder zu sich zu finden. Schauen wir, was kommt.

"Du unterschreibst einen Vertrag, spielst eine Rolle, kassierst dein Honorar – und dann kritisierst du öffentlich das Werk? Das geht nicht."

TS: Mal ehrlich – wie war es wirklich, Ragnar zu spielen?

Ragnar: (nimmt einen tiefen Zug) Anstrengend. Shaw hat den Charakter sehr vielschichtig angelegt. Diese stoische Ruhe nach außen, aber innerlich dieser ständige Analysemodus. Plus diese ständigen rewrites ganzer Kapitel. Das musst du monatelang durchhalten.

TS: Haben Sie die anderen Charaktere außerhalb der Schreibarbeit getroffen?

Ragnar: (grinst) Moonbar und ich waren schon vorher befreundet. Nova ist großartig – echte Künstlerseele. Mit Laura... kompliziert. Die nimmt sich sehr ernst. Und ihr Ehemann ist tatsächlich ein Arschloch, wie im Buch beschrieben.

TS: Stört es Sie, dass Laura jetzt das Gesicht des Romans ist?

Ragnar: Nö. Ich war nie scharf auf Rampenlicht. Aber ihr Interview war einfach unprofessionell. Du unterschreibst einen Vertrag, spielst eine Rolle, kassierst dein Honorar – und dann kritisierst du öffentlich das Werk? Das geht nicht.

TS: Werden Sie in Gelsenkirchen erkannt?

Ragnar: (lacht) Hier kennt mich jeder sowieso. Ich lebe seit fünfzehn Jahren im selben Viertel. Die Nachbarn finden es lustig, dass der Ragnar von nebenan jetzt Literatur macht. Aber Gelsenkirchen ist bodenständig – hier wird man nicht verrückt wegen so was.

TS: Ihre Kinder – wie reagieren die auf Papas Berühmtheit?

Ragnar: Mein Sohn, neun, findet es mega. Der erzählt allen, sein Vater sei ein Außerirdischer. Meine Tochter, vier, ist kritischer. Die fragt: "Papa, warum bist du im Buch so grün und schuppig?" (lacht) Ehrliche Kinderfragen.

TS: Planen Sie, bei der Literatur zu bleiben?

Ragnar: Kommt drauf an. Wenn die richtige Geschichte kommt, warum nicht? Aber ich bin nicht süchtig nach dem Geschäft. Ich hab ein Leben jenseits der Fiktion. Das ist wichtig.

TS: Ein letztes Wort zur Laura-Kontroverse?

Ragnar: (drückt die Zigarette aus) Laura soll machen, was sie will. Aber sie hat eine Grenze überschritten. Charaktere kritisieren nicht öffentlich ihre Autoren. Das ist wie Schauspieler, die den Regisseur während der Premiere angreifen. Unprofessionell und selbstzerstörerisch.


Das Interview wurde in Ragnars Garten geführt.

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